Hin zu Jesus – hin zum Auferstandenen
Impuls zum Osterfest 2017 von Br. Siegbert Mayer OFMcap
„Nichts wie weg!“ - das sagen Kinder, wenn sie etwas
angestellt haben.
„Nichts wie weg von hier!“ - das sagen auch Erwachsene,
wenn sie sich auf eine allzu gewagte Sache eingelassen
hatten, die prompt daneben ging. Es ist, wenn man genauer
darüber nachdenkt, keine gute Reaktion. Denn meist kann
man dadurch den Folgen seines Tuns nur für kurze Zeit,
nicht auf Dauer entkommen. Die Gesamtsituation wird
dadurch nur verschlimmert.
Der Wunsch, einfach wegzugehen, alles Problematische
und Schwierige hinter sich zurückzulassen, ergreift so
manches Mal von uns Besitz. Alles ist zum Davonlaufen: die
unglückliche familiäre Konstellation, der ungeliebte Beruf,
der unerträglich scheinende Erwartungsdruck, der auf einem
lastet oder auch nur die graue Alltäglichkeit des
sogenannten Ruhestandes.
Als Reaktion stellt sich das Verlangen ein: weg von hier, weg
von all den kleinen und größeren Katastrophen: Weg in eine
neue Zukunft. Dieses verbrauchte Leben einfach ablegen
wie ein abgetragenes und durchlöchertes Kleid.
„Nichts wie weg von hier!“ das haben sich anscheinend auch die Jünger Jesu gedacht. Jedenfalls
handeln sie nach dieser Devise, als sie sich bei der Verhaftung Jesu aus dem Staub machen. Petrus
hält es ein wenig länger aus, bis hinein in den Hof des Hohenpriesters, wo er allerdings die Flucht in
die Verleugnung ergreift. Bittere Reuetränen sind ihm noch geschenkt, aber dann ist auch er vorerst
von der Bildfläche verschwunden. Der Kreuzigung Jesu bleiben die Jünger bis auf einen, der keinen
Namen hat, fern. Bei der Grablegung müssen andere in die Bresche springen. Die Fluchtbewegung
setzt sich bis in die Ostererzählungen hinein fort. Wenig später sind die beiden Emmausjünger
unterwegs, weg von Jerusalem, weg von der Stadt, wo sie eine so tiefe Enttäuschung erfahren
hatten. Auch wenn sie es vielleicht nicht so deutlich zugeben würden, im Grunde befinden sie sich
auch innerlich auf der Flucht, als JESUS sie unerkannt eingeholt hat. Nur eine Gruppe macht eine
Ausnahme, eine Gruppe widersetzt sich dem allgemeinen Sog zum Davonlaufen. Das sind die
Frauen, die am Morgen des ersten Wochentages zum Grab gehen. Hoffnung haben sie nicht, dafür
aber Mut. Ihre fehlende Hoffnung erkennt man an dem, was sie mitnehmen: duftendes Öl, um den
Leichnam zu salben, um den Leichengeruch noch eine kleine Weile aufzuhalten. Woher sollten sie
auch die Hoffnung nehmen? Hat man denn je gehört, dass ein Toter lebt? Heißt es nicht sogar im AT,
im 88. Psalm: „Wirst du dann an den Toten Wunder tun? Werden etwa Schatten aufstehen, um dich
zu preisen?“ Aber die Frauen haben den Mut zur Konfrontation mit dem Unausweichlichen. Sie sind
bereit, der eigenen Enttäuschung standzuhalten. Sie wissen, was sie ertragen müssen: den Anblick
des düsteren und schweigenden Grabes mit dem schweren Stein, der alles besiegelt; aus und vorbei,
mit der Leiche, die keine kosmetische Kunst mehr zum Leben erweckt. Ich denke, weil sie diesen Mut
aufgebracht haben, sind die Frauen die ersten, die aus dem Mund des Engels die
Auferstehungsbotschaft vernahmen. Weil sie der Ansteckungskraft der Parole „Nichts wie weg“
Widerstand geleistet haben, werden sie ein weiteres Mal „enttäuscht“', diesmal allerdings auf eine
überraschende Art und Weise, die alle menschlichen Erwartungen sprengt: Der Totgeglaubte lebt!
Das verschlossene Grab finden sie geöffnet und leer vor. Ihre Salben bringen sie im Sinn des Wortes
nicht mehr so an den Mann. Der geplante Trauerritus fällt aus, es wird stattdessen der Grund gelegt
für den österlichen Jubel.
Wir können nicht einfach aus unserer Lebensgeschichte aussteigen. Wer seiner Vergangenheit
davonlaufen will, wird von ihr unweigerlich eingeholt. Wer seine Herkunft verleugnet, der hat auch
keine Zukunft mehr. Etwas Neues wird nur dort entstehen, wo die Akzeptierung und Durcharbeitung
der eigenen schmerzlichen Erfahrungen gelingt. Da kann es dann geschehen, dass in unserem
Leben etwas von jener göttlichen Wirklichkeit aufblitzt, die von den Frauen am Grab erfahren wurde.
Wo schwere Lebenskrisen im Glauben ausgestanden werden, da erweist die Auferstehungsbotschaft
immer aufs neue ihre Kraft.
Nicht „weg von hier“ wird deshalb unsere Devise lauten, sondern mit den Frauen am Ostermorgen
lasst uns gehen „HIN ZU JESUS! HIN ZUM AUFERSTANDENEN!“ Denn das Grab ist zum Ort neuen
Lebens geworden. Im Inneren der Erde brach der Himmel auf.
In allen heiligen Nächten unseres Glaubens, zumal an Ostern und an Weihnachten, wird uns sogar
mehrmals zugerufen: „Fürchtet euch nicht!“
Die tödlichen Ängste tief in uns können dadurch aufgebrochen werden. Und ein Wunsch wird wahr
und kann Wirklichkeit werden, der in einem kleinen Lied einmal so beschrieben ist:
„Das wünsch' ich sehr,
dass immer einer bei mir wär',
der lacht und spricht:
Ja, das will der HERR, der durch die Nacht des Todes ging, jedem und jeder von uns wieder neu
zusprechen: ,,Fürchte dich nicht! Denn auferstanden bin ich und bin nun immer bei dir.“
Mit dieser Gewissheit segne Euch im Dunkel einer Welt voller Not und Leid der auferstandene
CHRISTUS mit seiner leuchtenden Gegenwart.
In österlicher Verbundenheit,
Euer Bruder Siegbert
Keiner der Jünger bis auf den einen,
der keinen Namen hat, blieben unter
dem Kreuz.